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Gestaltungsspielräume und Risiken beim Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln

Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens einer Staatsanwaltschaft gegen einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) sowie niedergelassene Vertragsärzte wegen des Verdachts der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im Gesundheitswesen (§ 299a/b StGB) weisen die Rechtsanwälte Sven Hennings und Dr. Oliver Pragal auf das Risiko der Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen einer strafbaren „Zuführung von Patienten“ durch den Arzt an den Hersteller von NEM z.B. im Falle der Zahlung von Provisionen an den Arzt gem. § 299a/b Nr. 3 StGB hin.

Zwar sprächen die herrschende Meinung und die besseren Argumente gegen eine solche Strafbarkeit, da den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei, dass der Tatbestand ausschließlich die „Zuführung von Patienten“ an einen anderen Leistungserbringer, nicht jedoch z.B. an den Hersteller von NEM erfasse. Denn in diesem Falle handele es sich gerade nicht um einen „Patienten“, sondern um einen bloßen „Kunden“.

Da gerichtliche – erst recht höchstrichterliche – Entscheidungen bisher nicht vorlägen, bestehe dennoch ein nicht völlig ausschließbares Strafbarkeitsrisiko.

Vor diesem Hintergrund weisen die Rechtsanwälte darauf hin, dass es einem niedergelassenen Vertragsarzt sehr wohl gestattet ist, ein von der Praxis getrenntes Institut für Ernährungsberatung zu betreiben.

Zusammengefasst gelte, dass ein Arzt, der in der räumlichen Umgebung seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, dann nicht gegen die Berufsordnung (§ 3 Abs. 2 MBO-Ä) verstößt, wenn er diese gewerbliche Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht trennt. Diese gegenwärtig herrschende Rechtsauffassung wird seitens des BGH, Urteil vom 29.05.2008 I ZR 75/05 vertreten und – soweit ersichtlich – von den Berufsgerichten gleichermaßen bestätigt.

Ein Arzt ist mithin berechtigt, ein gewerbliches Institut (für Ernährungsberatung) nach Maßgabe der vorbezeichneten Bedingungen zu betreiben.

Der Arzt, der ein Institut für Ernährungsberatung in zulässiger Weise (siehe oben sub. a) betreibt, ist gehalten, das Gebot des sog. Trennungsprinzips streng zu beachten. Der Patient muss erkennbar wahrnehmen können, ob er sich in ärztlicher Behandlung oder aber sich als Kunde im Institut befindet. Für die Einhaltung dieses Trennungsprinzips ist allein der Arzt verantwortlich, nur er kann die strikte Beachtung dieses Gebotes gewährleisten und im Ergebnis die Verantwortung tragen.

Im Falle des Verkaufs von NEM durch das Institut an dessen Kunden auf eigene Rechnung bestünde im Falle der Berücksichtigung bestimmter Maßgaben nach der Rechtsauffassung der Anwälte kein Strafbarkeitsrisiko gem. § 299a/b Nr. 3 StGB, da es – anders bei Abschluss des Belieferungsvertrags zwischen NEM-Hersteller und dem Institut als im Falle von Empfehlungen durch den Arzt gegen Zahlung von Provisionen – von vornherein keine tatbestandsmäßige Konstellation gebe, die als Unrechtvereinbarung gewertet werden könne.

Zudem sei in diesem Falle das Tatbestandsmerkmal des § 299a/b StGB nicht erfüllt, wonach der Vorteil „im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs“ (als Arzt) gefordert werden müsse.

Die Rechtsanwälte weisen darauf hin, dass diese Rechtsausführungen nicht die rechtliche Beratung im Einzelfall ersetzen können und lehnen insoweit jegliche Haftung ab.