Rechtsverstöße bei der Durchführung des Sichtungsverfahrens gem. § 110 StPO sind erst seit vergleichsweise kurzer Zeit Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion und Praxis.
Unsere Kanzlei hat am 15.04.2024 vor dem AG Hamburg zu diesem Themenkreis eine Entscheidung erstritten (Beschluss vom 15.04.2024 – Az. 162 Gs 149/20).
Das Gericht hat die Rechtswidrigkeit der – ohne Beschlagnahme – erfolgten Auswertung der Sichtungsgegenstände (nach einer Sichtungsdauer von über 3 Jahren) in Gestalt der Anlage von Beweismittelordnern sowie der Anfertigung von Auswertungsberichten festgestellt.
Das AG Hamburg führte aus, dass die gesetzgeberische Intention des § 110 StPO von den Ermittlungsbehörden völlig verkannt worden sei. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es allein, den Ermittlungsbehörden eine erste „grobe Durchsicht“ zu ermöglichen, um zwischen verfahrensrelevanten und verfahrensirrelevanten Beweismitteln zu differenzieren.
Interessant ist diese Entscheidung auch deshalb, da das Gericht die seitens des Mandanten (einem Rechtsanwalt) erteilte „Zustimmung“ in Bezug auf die Mitnahme am Durchsuchungstage ausdrücklich nicht als Zustimmung zu einer weitergehenden Auswertung ohne Beschlagnahme auslegte.