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Die Rolle des Strafverteidigers in der Compliance-Beratung

Das Wichtigste vorab

  • Moderne Compliance-Beratung erfordert auch strafrechtliches Know-How, um proaktiv Risiken zu erkennen, bewerten und zu beseitigen.
  • Schnittstellen zwischen Unternehmen und Strafrecht sind vielfältig; dies betrifft insbesondere Vorwürfe wie Korruption, Betrug, Untreue oder steuerliche Risiken. Ermittlungsverfahren können durch eine Vielzahl von Ereignissen ausgelöst werden.
  • Compliance-Systemen fehlt häufig eine konkrete strafrechtliche Perspektive, die notwendig ist, um im Falle von Compliance-Krisen sicher reagieren zu können.
  • Strafverteidiger im Wirtschaftsstrafrecht wissen, wie Wirtschaftsstraftäter und Ermittlungsbehörden denken und agieren. Sie können hierdurch essenziell zur Entwicklung wirksamer Compliance-Strukturen beitragen.
  • Kommt es zu einer Compliance-Krise, übernimmt der Unternehmensverteidiger eine zentrale Rolle im Rahmen von Kommunikation und internen Ermittlungen und entwickelt eine maßgeschneiderte Gesamztstrategie.

Compliance-Beratung und Strafverteidigung erscheinen auf den ersten Blick als getrennte Rechtsbereiche. Tatsächlich jedoch ist die moderne Compliance-Praxis ohne das strafrechtliche Know-how eines erfahrenen Strafverteidigers kaum denkbar. Gerade im Kontext krisenhafter Unternehmenssituationen zeigt sich, wie wichtig ein Verteidiger ist, der nicht nur reagiert, sondern proaktiv Risiken erkennt, bewertet und strukturiert abmindert oder beseitigt.

Die Beratung und Verteidigung im wirtschafts(straf)rechtlichen Kontext unterscheidet sich nämlich grundlegend von der klassischen Individualverteidigung. Es geht weniger um individuelle Verantwortung und deren (oft konfrontative) Aufklärung im Strafverfahren, sondern um das Erkennen komplexer Gesamtzusammenhänge und die Koordination einer Vielzahl von Interessen und internen und externen Stakeholdern in einer sehr dynamischen Situation über einen längeren Zeitraum und immer häufiger über Grenzen hinweg.

Als spezialisierte, im Wirtschaftsstrafrecht erfahrene Strafverteidiger in Hamburg verbinden wir tiefgreifende Expertise im Wirtschaftsstrafrecht mit langjähriger Erfahrung in der Compliance-Beratung mittelständischer und großer Unternehmen.

Strafrechtliche Risiken im Unternehmensalltag

Korruption, Betrug, Untreue oder steuerliche Risiken – die Schnittmengen zwischen der Unternehmenspraxis und dem Strafrecht sind vielfältig – und dennoch nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Nicht wenige Rechtsverstöße im Wirtschaftsstrafrecht geschehen ohne „böse Absicht“, doch Unwissenheit schützt eben meist nicht vor Strafe.

Oft genügt ein Hinweis eines Whistleblowers, ein eskalierender Arbeitsgerichtsprozess, eine konfrontative Betriebsprüfung oder eine Medienveröffentlichung, um Ermittlungen gegen das Unternehmen oder seine Organe auszulösen. Gerade in regulierten Branchen oder bei internationaler Tätigkeit ist das Risiko strafrechtlicher Ermittlungen nochmals gesteigert.

Zwar besitzen viele Unternehmen mehr oder minder gut abgestimmte Compliance-Systeme.. Doch nach unserer Erfahrung fehlt hier vielfach die strafrechtliche Perspektive, um die maximale Präventivwirkung zu entfalten und praxistaugliche Abläufe für den Fall einer Compliance-Krise zu etablieren.

An der Schnittstelle: Der Strafverteidiger als Compliance-Berater

Der Strafverteidiger bringt eine spezifische Sichtweise in die Compliance-Arbeit ein: die Sicht des potenziellen Ermittlers. Er weiß, wie Wirtschaftsstraftäter denken und agieren, wie deren Strukturen und Vorgehensweisen beschaffen sind und wie staatliche Ermittlungen beginnen und verlaufen.

Diese Kenntnisse sind essenziell für die Entwicklung wirksamer Compliance-Strukturen. Anders als klassische Berater geht es dem Strafverteidiger nicht primär um formale Anforderungen, sondern um den praxistauglichen Schutz vor strafrechtlichen Risiken und deren bestmögliches Management im Krisenfall.

In der Praxis bedeutet das: Wir analysieren interne Prozesse unter dem Blickwinkel strafrechtlicher Relevanz, begleiten Ihr Unternehmen bei der Etablierung belastbarer Kontrollsysteme und beraten bei Verdachtsmomenten frühzeitig, bevor externe Ermittlungsbehörden involviert sind.

Diese Expertise kann im Krisenfall entscheidend sein.

Spezialwissen im Wirtschaftsstrafrecht als Mehrwert für die Compliance

Die strafrechtliche Bewertung unternehmensinterner Vorgänge erfordert vertieftes Fachwissen – nicht nur im allgemeinen Strafrecht, sondern in Bereichen wie Steuerstrafrecht, Arbeitsstrafrecht, Umweltstrafrecht oder dem Kapitalmarktstrafrecht.

Der spezialisierte Wirtschaftsstrafverteidiger erkennt nicht nur strafrechtlich relevante Risiken, sondern differenziert, welche regulatorischen Vorgaben zwingend und welche auslegungsfähig sind. Gerade in dynamischen Rechtsgebieten ist diese Unterscheidung für die Compliance-Praxis zentral.

Zudem ist er mit den Denkweise der Ermittlungsbehörden und den Vorgehensweisen von Schwerpunktstaatsanwaltschaften vertraut – ein entscheidender Vorteil, wenn es um die realistische Risikoeinschätzung, die Vorbereitung auf mögliche Compliance-Krisen sowie deren praktisches Management geht.

Unternehmensverteidigung und Internal Investigations

Kommt es dennoch zur Compliance-Krise, übernimmt der Unternehmensverteidiger eine zentrale Rolle: Er bewertet die Lage, erkennt Risiken und „Fallstricke“, kommuniziert mit internen und externen Stakeholdern und Ermittlungsbehörden und erfüllt eine wichtige Funktion bei der Strukturierung und Umsetzung einer Internal Investigation.

In enger Abstimmung mit der Unternehmensführung und externen Kommunikationsberatern entwickelt der Unternehmensverteidiger somit eine maßgeschneiderte Gesamtstrategie, welche sämtliche Interessen des Unternehmens erfasst und bestmöglich wahrt.

Hierbei reicht die Bandbreite von „vollumfänglicher Kooperation“ mit dem häufigen Ziel eine „stillen“ und beschleunigten Verfahrensbeendigung bis hin zu einem konsequenten Bestreiten der Vorwürfe und der konsequenten Wahrnehmung von prozessualen Rechten.

Mandatsverhältnis und Interessenkonflikte

Gerade im Unternehmenskontext ist das Mandatsverhältnis klar zu strukturieren. Der Mandant ist entweder das Unternehmen oder eine natürliche Person als Beschuldigter – nie beides zugleich.

Eine gleichzeitige Individualverteidigung einerseits und Beratung des Unternehmens andererseits ist ausgeschlossen.

Besondere Aufmerksamkeit bedarf zudem der Schutz des „legal privilege“, welches im Lichte der „Jones Day-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 27.06.2018; Az. 2 BvR 1287/17 u.a.) einen plausiblen Bezug zu einer bereits eingetretenen beschuldigtenähnlichen Rolle oder deren zumindest nachvollziehbaren Erwartung aufweisen sollte.

Des Weiteren ist infolge der „Jones Day-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts in Konzernstrukturen darauf Wert zu legen, dass das Mandatsverhältnis mit dem unmittelbar betroffenen Konzernunternehmen begründet wird.

Fazit

Strafverteidiger sind im Wirtschaftsstrafrecht nicht nur unverzichtbare Berater beim Management von Compliance-Krisen, sondern  im besten Falle bereits wertvolle Berater bei der Gestaltung von Compliance-Systemen sowie der präventiven Planung des Ernstfalles.

Als erfahrene Strafverteidiger im Wirtschaftsstrafrecht unterstützen wir Unternehmen dabei, strafrechtliche Risiken zu erkennen, Compliance-Strukturen wirksam umzusetzen, im Rahmen einer fundierten Compliance-Beratung präventiv zu handeln und im Ernstfall professionell zu reagieren.

Gerne beraten wir Sie in einem vertraulichen Gespräch zu Ihrem individuellen Bedarf – kontaktieren Sie uns.

FAQ – Häufige Fragen zur Rolle des Wirtschaftsstrafverteidigers in der Compliance-Beratung

Ein Wirtschaftsstrafverteidiger ist auf komplexe Sachverhalte im Unternehmenskontext mit einem strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Bezug spezialisiert.

Er kennt die spezifischen Strafbarkeitsrisiken im Bereich des gesamten Kernstrafrechts des Strafgesetzbuchs (StGB) sowie z.B. im Steuer-, Umwelt- oder Arbeitsstrafrecht.

Der Wirtschaftsstrafverteidiger besitzt zudem umfangreiche Erfahrung mit der besonderen Dynamik von Compliance-Krisen im Unternehmen, deren Verlauf, möglichen Eskalationsrisiken, Wegen zu Deeskalation sowie dem Umgang mit Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten, Ermittlungsbehörden sowie den Verteidigern von individuell Beschuldigten mit.

Damit ist der gute Unternehmensverteidiger noch mehr „Teamplayer“ und muss über noch mehr Umsicht bei dem Erkennen und dem Ausgleich der Unternehmensinteressen und der Koordination mit Dritten verfügen als es bereits vom Individualverteidiger im Wirtschaftsstrafrecht gefordert wird.

Idealerweise erfolgt die Einbindung bereits präventiv beim Aufbau oder der Überprüfung von Compliance-Strukturen im Rahmen einer Compliance-Beratung. Spätestens bei Verdachtsmomenten, internen Untersuchungen oder einer drohenden medialen Berichterstattung über einen „Compliance-Fall“ sollte ein erfahrener Strafverteidiger hinzugezogen werden.

Nein. Aufgrund möglicher Interessenkonflikte muss klar zwischen Unternehmensvertretung und Individualverteidigung unterschieden werden. Ein Wirtschaftsstrafverteidiger wird diese Trennung frühzeitig definieren und transparent kommunizieren.

Der Unternehmensverteidiger besitzt eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Verdachtslage, möglichen Eskalationsrisiken, der Vorgehensweise von Ermittlungsbehörden sowie bei der Koordination der Vorgehensweise mit den Individualverteidigern.

Im Falle der Durchführung einer Internal Investigation ist er zudem ein wichtiger Berater des Untersuchungsteams im Hinblick auf alle Fragen bei der Gestaltung der Untersuchung bis hin zu einer etwaigen Verwendung der Untersuchungsergebnisse gegenüber Ermittlungsbehörden.

Besondere Aufmerksamkeit bedarf zudem bei der Gestaltung des Mandatsauftrages der Schutz des „legal privilege“ im Lichte der „Jones Day-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 27.06.2018; Az. 2 BvR 1287/17 u.a.)