Juristische Klarstellung zu grenzüberschreitender Abfallverbringung
Mit einem Beschluss vom 31. März 2025 (Az.: 636 KLs 9/23) hat das Landgericht Hamburg die Eröffnung eines Hauptverfahrens in einem Umweltstrafverfahren abgelehnt. Im Zentrum des Falles steht die Praxis des sogenannten Beachings – die Entsorgung alter Frachtschiffe auf Stränden insbesondere in südasiatischen Ländern. Dort erfolgt unter oft fragwürdigen Bedingungen die Zerlegung und Verwertung der Schiffe, was regelmäßig umwelt- und strafrechtliche Fragen aufwirft. Wir hatten bereits in einem früheren Blogbeitrag über das Ermittlungsverfahren berichtet.
Der zugrunde liegende Sachverhalt
Die Ermittlungen richteten sich gegen mehrere Beschuldigte, denen vorgeworfen wurde, am Verkauf eines Containerschiffs beteiligt gewesen zu sein, das letztlich zur Verschrottung nach Asien verbracht wurde. Die Anklage stützte sich auf § 18a des Abfallverbringungsgesetzes (AbfVerbrG), welcher die illegale Verbringung gefährlicher Abfälle unter Strafe stellt.
Nach Auffassung der Hamburger Strafkammer greift dieser Straftatbestand im vorliegenden Fall jedoch nicht. Zwar könne der Vorgang im Sinne der EU-Verordnung 1013/2006 als grenzüberschreitende Abfallverbringung gewertet werden. Die Anwendung des deutschen AbfVerbrG setze jedoch voraus, dass eine konkrete Ausfuhr aus dem Bundesgebiet erfolgt sei – eine Voraussetzung, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt war. Ein Handeln aus Deutschland heraus, etwa durch vertragliche Steuerung, genüge nicht für eine Strafbarkeit.
Konsequenzen für die strafrechtliche Praxis
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der territorialen Abgrenzung strafrechtlicher Normen im Umweltrecht. Besonders bei internationalen Fallgestaltungen ist eine präzise Prüfung des Anwendungsbereichs erforderlich. Das Urteil weist somit auf die Grenzen deutscher Strafgewalt bei Auslandssachverhalten hin und dürfte in vergleichbaren Verfahren Signalwirkung entfalten – gerade im Hinblick auf Ermittlungen, wie sie aktuell etwa von der Staatsanwaltschaft Hamburg geführt werden.
Zwischen nationaler Strafgewalt und internationaler Verantwortung
Die juristische Relevanz des Beschlusses reicht über nationale Grenzen hinaus. Die Abwägung zwischen internationaler Unternehmensverantwortung und nationaler Strafbarkeit bei Auslandssachverhalten ist ein Thema, das zunehmend auch in internationalen Fachkreisen diskutiert wird.
Diesen und ähnlich gelagerte ESG-Fälle werde ich im Rahmen der 27th Annual Transnational Crime Conference der International Bar Association (IBA) in Santiago de Chile erörtern. Dort werde ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen Margot Laporte, Ross Dixon, Chirag Naik, Yoab Bitran und Michael Polak in einem Panel zu „Supply Chain and Criminal Offenses“ die strafrechtlichen Risiken globaler Unternehmensverflechtungen beleuchten.