In einem Beitrag für die Zeitschrift „comply.“ hat unser Partner Dr. Oliver Pragal die Wechselwirkungen zwischen Hinweisgebersystemen, Internen Untersuchungen und der Unternehmensverteidigung, insbesondere im Kontext des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) beleuchtet. Hierbei werden rechtliche Fallstricke und strategische Überlegungen aus Sicht eines gefährdeten Unternehmens analysiert.
Hintergrund
Hinweisgebersysteme sind ein essenzieller Bestandteil moderner Compliance-Strukturen, deren Bedeutung durch das HinSchG gestärkt wurde. Dennoch birgt die rechtliche Situation Risiken für Unternehmen, da Informationen aus Hinweisgebersystemen nicht immer vor behördlichen Zugriffen geschützt sind. Durchsuchungen und Beschlagnahmungen können dazu führen, dass sensible Daten in die Hände von Ermittlungsbehörden gelangen. Dies kann zu Zielkonflikten und Friktionen mit der Unternehmensverteidigung führen.
Kein Vertraulichkeitsschutz bei behördlichen Maßnahmen
Das HinSchG kann die Vertraulichkeit von Hinweisen nicht vollständig gewährleisten. So sind behördliche Zugriffe mittels Durchsuchungsbeschlüssen oder Auskunftsersuchen möglich. Diese Schutzlücke betrifft sowohl Hinweisgeber als auch Unternehmen und hat potenzielle Auswirkungen auf interne Untersuchungen und die Unternehmensverteidigung.
Auswirkungen auf Internal Investigations und Unternehmensverteidigung
Hinweisgebersysteme können interne Untersuchungen auslösen, die oft rechtlich geboten sind. Unternehmen stehen vor der Entscheidung, ob sie umfassend mit Ermittlungsbehörden kooperieren oder ihre beschuldigtenähnlichen Rechte im Rahmen einer Unternehmensverteidigung ausüben. Vollumfängliche Kooperation birgt Risiken, da sie zu schwerwiegenden Konsequenzen führen kann, falls umfangreiche Compliance-Verstöße ans Licht kommen. Alternativ kann sich ein Unternehmen auf sein Schweigerecht berufen und Verteidigungsstrategien entwickeln, welche indessen die Beschlagnahmefreiheit von Verteidigungsunterlagen voraussetzen.
Strategische Empfehlungen
- Die Beauftragung von Kanzleien für Internal Investigations sollte zum Schutz des „legal privilege“ die Verteidigungszwecke berücksichtigen und entsprechend dokumentieren.
- Daten aus Hinweisgebersystemen können durch Verschlüsselung oder Speicherung im Ausland geschützt werden.
- Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass „unzufriedene“ Hinweisgeber Folgehinweise an externe Stellen geben können, was die Verteidigungsstrategie unterminieren könnte.
Fallstricke und Risiken
Die Integrität des Hinweisgebersystems darf keinesfalls kompromittiert werden, etwa durch Diskriminierung oder Beeinflussung von Hinweisgebern. Ebenso sind manipulative Untersuchungsberichte jenseits vertretbarer Bewertungen („Schönfärberei“) oder gar die Vernichtung belastender Beweismittel strafrechtlich riskant und unbedingt zu unterlassen.
Fazit
Hinweisgebersysteme sind unverzichtbar und ein wertvolles Compliance-Tool. Im Falle einer Compliance-Krise erfordert die Planung einer Internal Investigation sowie einer Unternehmensverteidigung jedoch eine sorgfältige Berücksichtigung von Wechselwirkungen des Hinweisgebersystems durch erfahrene Strafrechtler, um rechtliche Risiken zu minimieren und potenzielle Konflikte und Friktionen zu vermeiden.
Autor: Dr. Oliver Pragal, LL.M. (Cape Town), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht.