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Die Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB ist verständigungsfeindlich – oder doch nicht?

Das Wichtigste vorab

  • Das Landgericht Mannheim hat in einer Entscheidung aus dem Juni 2025 nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung abgesehen, weil das Verfahren – soweit es die Einziehung betraf – einen „unangemessenen Aufwand“ erfordert hätte. Dies erfolgte gegen Zahlung eines (wesentliche geringeren) Geldbetrages durch das Unternehmen. 
  • Die Entscheidung zeigt, dass auch Einziehungsentscheidungen entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht „verständigungsfeindlich“ sind. Vielmehr besteht auch hier die Möglichkeit, das Verfahren einvernehmlich im Sinne eines „Deals“ zu beenden.

Unsere Kanzlei hat in einem Strafverfahren vor einem Landgericht soeben einen Beschluss gem. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO erwirkt, wonach das Gericht von der beabsichtigten Einziehung i.H.v. 1,55 Mio. € bei unserer Mandantin, Unternehmen, gegen Zahlung von 150.000 € an die Geschädigte abgesehen hat.

Es handelt sich um eine sehr praxisrelevante Entscheidung mit Signalwirkung, insbesondere für die Verteidigung von Unternehmen.

Der Fall

Gegenstand des Strafverfahrens war der Vorwurf, dass Vorstände einer Unternehmensgruppe Fördermittel, die zur Weiterleitung an Projektpartner bestimmt waren, zweckwidrig im Rahmen eines konzerninternen Cash-Poolings zur Finanzierung der Unternehmensgruppe eingesetzt hätten. Die Einziehungsbeteiligte hatte über diesen Mechanismus mutmaßlich Teile der Fördermittel erhalten, ohne selbst tatbeteiligt gewesen zu sein.

Die Entscheidung

Das Gericht hat nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von der Einziehung abgesehen, weil das Verfahren, soweit es die Einziehung betraf, einen „unangemessenen Aufwand“ erfordert hätte. 

Der entscheidende Aspekt 

Das Gericht hatte die Annahme dieser Voraussetzungen von einer freiwilligen Teilrückzahlung durch die Einziehungsbeteiligte an die EU abhängig gemacht. Ein Vergleichsschluss wurde dagegen nicht gefordert; dieser wäre auch mangels unmittelbarer Rechtsbeziehungen schwierig zu gestalten gewesen.

Die praktische Relevanz

Nach der Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung waren verschiedentlich missverständliche Stimmen aufgekommen, wonach die Einziehung „verständigungsfeindlich“ sei. 

Dass dies in dieser Absolutheit nicht richtig ist und dass § 421 StPO nicht nur im Sinne von „Eins oder Null“ ein Absehen, sondern auch ein betragsmäßiges Teil-Absehen von der Einziehung ermöglicht, hatte der BGH bereits mit Beschl. v. 2.8.2018 (Az.: 1 StR 311/18 – LG Mannheim, vgl. NStZ 2018, 742 ff. mit sehr lesenswerter Anm. von Schneider) festgestellt.

Die nunmehr vorliegende Entscheidung muss dem Praktiker nochmals stärkeren Anreiz geben, in Fällen drohender Einziehung gestalterisch tätig zu werden, z.B. in Gestalt von Handlungen und Vereinbarungen mit dem/der Geschädigten. Diese Maßnahmen entsprechen vielfach dem „Täter-Opfer-Ausgleich“ gem. § 46a StGB. Dies gilt – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – auch und erst recht in Fällen, in denen die Rechtswirkung des § 73e Abs. 1 StGB nicht greifen kann.

Es überzeugt argumentativ, dass eine derartige Rechtsgestaltung zugunsten des/der (mutmaßlich) Geschädigten geeignet ist, einen „unangemessenen Aufwand“ der Verfahrensfortführung i.S.d. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO zu begründen, da das Einziehungsinteresse durch die freiwillige Kompensation – insbesondere im Falle eines Vergleichs – naturgemäß reduziert wird.

Hinweis: Wir können die Entscheidung oder das Aktenzeichen leider aus Rücksicht auf die seitens der Mandantin gewünschte Diskretion nicht veröffentlichen.